Suddeutsche Zeitung: Child Labour in China

11 October 2007

China Labour Bulletin appears in the following article. Copyright remains with the original publisher.

12 April, 2007.

Schanghai – In Chinas Fabriken arbeiten
immer mehr Kinder. Vor allem kleinere
Fabriken und private Unternehmen im
Hinterland beschäftigten zunehmend minderjährige
Arbeiter. Zu diesem Ergebnis
kommt die Nichtregierungsorganisation
China Labour Bulletin in einem bislang nur
auf Chinesisch veröffentlichten Bericht.
Gegen den weltweiten Trend
Kinderarbeit in China nimmt zu
Neue Studie: Arbeitskräftemangel im Hinterland führt zur mehr Beschäftigung von Minderjährigen

Von Janis Vougioukas

„Das Phänomen der Kinderarbeit
wird jeden Tag schlimmer", heißt es in
der Studie. Vor zwei Jahren hatte das
US-Außenministerium die chinesische
Regierung in einem Menschenrechtsbericht
noch ausdrücklich für die"erfolgreiche
Eindämmung der Kinderarbeit"
gelobt. Doch mit dem rasanten Wachstum
der Wirtschaft hat sich das Problem
offenbar wieder verschärft.
Weltweit arbeiten nach Angaben der
UN-Arbeitsorganisation ILO 218 Millionen
Kinder. Zwischen den Jahren 2000
und 2004 ist die Zahl um elf Prozent gesunken.
Doch in China erlebt die Ausbeutung
einen neuen Boom. Experten schätzen,
dass zwischen 10 und 20 Millionen
Kinder in chinesischen Fabriken arbeiten,
oft unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Selbst die amtliche Volkszeitung,
sonst vor allem Verkünder positiver
Nachrichten, berichtete, dass 60 Prozent
der 20 Millionen chinesischen Schulabbrecher
zwischen 12 und 14 Jahren arbeiten.
„Es ist die Verantwortung der Regierung
und die Pflicht eines jeden Erwachsenen,
diesen Kindern zu helfen",
schrieb das Blatt.

„Armut und der schlechte Ausbau des
ländlichen Bildungssystems sind die
Hauptfaktoren für Kinderarbeit", sagte
Robin Munro vom China Labour Bulletin.
Die chinesischen Gesetze verbieten
die Beschäftigung von schulpflichtigen
Kindern unter 16 Jahren. Erst Ende
März bekräftigte der Pekinger Staatsrat
die bestehenden Regeln und kündigte
strenge Strafen für Gesetzesbrecher an.
Doch Peking zögert."Die Regierung
fürchtet sich offenbar davor einzugestehen,
dass das Problem existiert", sagte
Constance Thomas, Pekinger Direktorin
der ILO. Charles Rycroft vom Pekinger
Büro der Unicef sagte:"Kinderarbeit
lässt sich nicht mit Gesetzen beseitigen,
Kinderarbeit muss gesellschaftlich geächtet
werden." Es gebe auch in China Inspektionen
undKontrollen, vor allem bei
den Staatsbetrieben. Doch die Situation
ist am schlimmsten in den kleinen privaten
Firmen und Fabriken.

Selbst in der Schule sind chinesische
Kinder nicht sicher. Vor sechs Jahren
starben mindestens 42 überwiegend
Neun- bis Elfjährige bei einer Explosion
im Klassenzimmer ihrer Grundschule in
der Provinz Jiangxi. Ein lokaler Geschäftsmann
und Sohn eines Parteifunktionärs
hatte im Schulgebäude eine Fabrik
für Feuerwerkskörper gegründet
und die Schüler zur Mitarbeit verpflichtet.
Die Schulleitung wurde an den Gewinnen
beteiligt.

Mehr Lohn als ein Schulleiter
Im März 2005 informierte das Internetportal
Sina.com über einen Gasunfall in
einer Segeltuchfabrik in der Provinz Hebei.
Fünf Arbeiterinnen starben, drei von
ihnen waren Kinder. Jeden Tag berichten
die chinesischen Medien über tödliche
Fabrikunfälle. Und oft wird in einem
Nebensatz vermeldet, dass sich unter
den Opfern auch Kinder befänden.
„Viele Bauern glauben, dass ihre Kinder
sowieso nie die Chance auf einen Studienplatz
bekommen werden", sagte Jiang
Zhencheng, Schulleiter in der südchinesischen
Stadt Leining ."Die Eltern sehen
es als die bessere Investition an,
wenn die Kinder sofort Geld verdienen."
Jiangs Schulleitergehalt beträgt 1467 Yuan
im Monat, umgerechnet etwa 140
Euro."VieleKinder können in den Fabriken
mehr verdienen", sagte er. Leining
ist ein gutes Beispiel für Kleinstädte
chinesischen Hinterland. Weil viele Arbeitskräfte
in die nahen Industriestädte
Shenzhen, Dongguan und Kanton abgewandert
sind, leiden die lokalen Unternehmen
unter akutem Personalmangel.
DieKinder schließen die Lücke. Jiang
seit sieben Jahren Schulleiter."In den
ersten fünf Jahren haben nur wenige Kinder
die Schule abgebrochen. In den letzten
zwei Jahren hat die Zahl stark zugenommen",
sagte Jiang.

„Wir brauchen die Arbeiter. Kinder
sind geduldig", sagte der Geschäftsführer
einer BH-Fabrik in der Nachbarstadt
Chaonan. Seine Fabrik beschäftige allerdings
nur wenige Minderjährige. Chaonan
ist so etwas wie das Zentrum der chinesischen
Büstenhalter-Industrie. Die
Manager in der Region sagen, dass Kinder
die besseren Arbeiter seien: Kleine
Hände könnten besser mit den feinen
Stoff- und Plastikteilen umgehen.
Die meisten ausländischen Einkäufer
und Großkunden bemühen sich auch aus
Angst vor öffentlichem Druckumkorrekte
Arbeitsbedingungen und die Einhaltung
von Mindeststandards. Der USHandelskonzern
Wal-Mart organisierte
allein im Jahr 2005 fast 14 000 Kontrollbesuche
bei über 7000 Lieferanten.
141 Fabriken wurde die Zusammenarbeit
aufgekündigt, unter anderem wegen
der Beschäftigung von Kindern. ILO-Direktorin
Thomas:"Westliche Firmen
müssen sicherstellen, dass ihre Lieferanten
in China Mindestlöhne zahlen und
das Arbeitsrecht einhalten." Mittlerweile
überwachen auch unabhängige Organisationen
die Einhaltung ethischer Standards.
Daraus hat sich bereits eine neue
Branche entwickelt.

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